ISLA PERSA

Die verlorene Insel

Ein Duft, eine Straße oder einfach nur ein altes Shirt aus den Tiefen des Kleiderschrankes. Und plötzlich ist sie wieder da, die Erinnerung an eine längst verlorene Insel. An einen Sommertag im Freibad, an den kratzenden Kragen bei Opas 70. Geburtstag oder an unbeschwerte Tage mit Carla am Meer.

Und dann gibt es diese ganz speziellen Momente, in denen man unverhofft auf eine verlorene Insel stößt: Eine neu entdeckte Bar, ein Dienstag, wie aus dem Poesiealbum und ein Mensch, der unverhofft die Wege kreuzt und es scheint, als hätte man ein Leben lang auf ihn gewartet.

Von diesen verlorenen Inseln erzählen wir in unseren Songs - im Guten wie im Schlechten. Wir erzählen von Isla Persa.*

 

Toralf Bitzer

TORALF BITZER

KOMPOSITION | INSTRUMENTE | PRODUKTION | TEXT

Mit einem Akkordeon – viel zu groß und schwer für den kleinen Kerl – fing es an. Beileibe keine Liebe auf den ersten Blick, aber zum ländlichen Leben in den Bergen gehörte es dazu. Verbunden mit dem gängigen Repertoire an Volks- und Schlagermusik. Kein Wunder, dass Toralf dagegen rebellierte. Und so bereicherten Gitarre und Piano nach und nach sein musikalisches Treiben. Verbunden mit dem Wunsch, neue Welten zu erobern – musikalisch wie im richtigen Leben.

Jahrzehnte später hat er in Hamburg eine neue Heimat gefunden und mit Stef eine Sängerin, die ihn auf diesem Weg begleitet. Doch spätestens beim Komponieren eigener Songs kann Toralf seine musikalische Herkunft nicht mehr verstecken. Die Kindheit mit ihren eingängigen Melodien und gefälligen Harmonien sitzt einfach tief. 

STEF KLAUKE

MUSE | TEXT | STIMME

Wer kann schon sagen, was die Faszination einer Stimme ausmacht. Die Töne sollten stimmen, das ist klar. Aber das allein macht noch keinen guten Gesang. Vielmehr sind es die Zwischentöne, die Schwingungen und Stimmungen, die den Unterschied machen. Aber egal, wie man es benennt: Stef hat die Gabe, einem Song Leben einzuhauchen – findet jedenfalls Toralf seit über 20 Jahren. Und das wird wohl so bleiben.

Als Urhamburgerin ist sie aufgewachsen bei jazzverrückten Eltern und schon in Kindertagen hat sie ihre Sonntage bei den legendären Jazzfrühschoppen in der Fabrik verbracht. Das hat Stef geprägt und die Verbundenheit mit den alten Klassikern steckt ihr bis heute im Blut. Genauso wie die Liebe zu Seeluft und Möwenschrei. Kein Wunder, dass ihre Isla Persa inmitten von Wasser liegt.

Stefanie Klauke

*DIE HERKUNFT DES NAMENS

Es war einmal ein junger Senn, der sömmerte auf einer herrlichen Alp, deren saftige Weiden sich dort erstreckten, wo heute Pers- und Morteratschgletscher aufeinandertreffen. Aratsch hiess der stattliche Bursche. Eines Tages verliebte er sich in Annetta, die Tochter eines reichen Pontresiner Bauern, und auch sie schenkte ihm ihr Herz. Doch ihre Eltern schlugen ihnen den Ehewunsch ab, denn ihre schöne Tochter verdiene nur einen wohlhabenden Mann und keinen armen Senn als Gatte. Schaffte Aratsch es jedoch, Wohlstand zu erlangen, würden sie es sich noch einmal überlegen. 

Die jungen Leute nahmen traurig Abschied und Aratsch ging als Soldat in die Fremde, da schon mancher Engadiner in Kriegsdiensten zu Ansehen und Vermögen gekommen war. Tatsächlich kehrte er nach einigen Jahren als Hauptmann zurück, erhielt Einlass in Annettas Elternhaus – und fand seine Geliebte aufgebahrt im Totenbaume vor. An gebrochenem Herzen gestorben lag sie bleich und stumm vor dem entsetzten Aratsch. Gequält eilte er davon, schwang sich auf sein Pferd und galoppierte hinauf zur Alp, wo sie beide einst glückliche Zeiten erlebt hatten. Doch er sprengte daran vorbei, weiter bis zum Gletscher, spornte den treuen Falben ein letztes Mal an, und ein dunkler Gletscherschlund verschlang Ross und Reiter. Sie waren nie mehr gesehen.

Damals sömmerte der alte Barba Gian auf der Alp und hörte seitdem zu nächtlicher Stunde seltsame Geräusche aus dem Milchkeller. Es war ihm, als rührte jemand in den Milchbottichen, während eine Frauenstimme leise «Mort Aratsch, Mort Aratsch!« (Aratsch ist tot) klagte. Denn Annettas Geist war’s, den der Tod ihres Geliebten keine Ruhe liess. Es stellte sich heraus, dass die Kühe mehr und fettere Milch gaben, und als die Zeit für Gian gekommen war, seinen Nachfolger einzuweisen, empfahl er diesem, den Geist nur gewähren zu lassen. Doch der neue Senn war ein hartherziger Mann und er verjagte Annettas arme Seele mit einem furchtbaren Fluch.

Von Stund’ an bewegte sich der Morteratschgletscher voran und bald schon hatten seine Massen die Alp und das gesamte Seitental bis weit gegen den Berg, der seitdem Munt Pers heisst, unter sich begraben. Nur die Isla Persa (die verlorene Insel) zwischen den beiden Gletschern und die Bovalhütte erinnern noch an den einstig fruchtbaren Boden um die Alp.